Andere Seiten: sportwettenrecht.de lotterierecht.de lotteriestaatsvertrag.de

Die mündliche Verhandlung in Sachen Sportwetten vor dem BVerfG

es berichtet Boris Hoeller

Karlsruhe (8.11.2005). Die Zukunft der Sportwette in Deutschland. Die Kernfrage: Wird es Privaten künftig erlaubt sein, Sportwetten zu veranstalten oder ins europäische Ausland an dort zugelassene Buchmacher zu vermitteln. Die Bundesländer sagen Nein - Das selbstverordnete staatliche Monopol auf dem verfassungsrechtlichen Prüfstand (vgl. Hintergrundbericht zum Verfahren Sportwetten am BVerfG). Das Verfassungsgericht will eine grundsätzliche Klärung erreichen. Zwei völlig divergierende Rechtsauffassungen prallen aufeinander. Das wettfiebernde Europa schaut heute nach Karlsruhe.

09:45 Uhr - Das Medien- und Publikumsinteresse ist groß. Fernsehteams haben sich positioniert, ein reger Informationsaustausch findet statt. Vertreter der großen deutschen TV Sender, aber auch die Sportfachpresse. Hintergrundgespräche und Meinungen - Im Sportwettrecht spezialisierte Juristen erwarten juristische Weichenstellungen. Um 10:00 Uhr soll die Verhandlung eröffnet werden.

RA Rüdiger Bodemann im Meinungsaustausch mit RA Frieder Backu. Im Fokus der TV Berichterstattung - die Sportwette.

09:52 Uhr - Die Parteien des Verfahrens, kurz vor Eröffnung der mündlichen Verhandlung: Der Klägerin geht es um ihre Berufsfreiheit. Sie meint, der Staat mißachte ihr Freiheitsrecht, um selber Kasse zu machen. Demgegenüber behaupten die Bundesländer, der Sportwette wohne eine derartig großes Gefahrenpotenzial inne, dass ein freier Wettbewerb privater Gewerbetreibender schädliche Wirkungen für Einzelne und die Gesellschaft habe.

10:00 Uhr - Die mündliche Verhandlung wird eröffnet. Der Vorsitzende Richter am BVerfG Papier ergreift das Wort. Die Besetzung der Richterbank: BVRin Prof. Dr. Haas, BVR Dr. Hömig, BVR Prof. Dr. Steiner, BVRin Dr. Hohmann-Dennhardt, BVR Prof. Dr. Hoffmann-Riem, BVR Prof. Dr. Bryde und BVR Dr. Gaier. Berichterstatter für den Senat ist Prof. Dr. Bryde. Er sitzt neben dem Vorsitzenden. Im Vorfeld der mündlichen Verhandlung gab es aus seiner Feder erste Hinweise darauf, dass eine grundsätzliche Klärung im Gebiet des Sportwettenrecht durch das BVG erstrebt wird. Gleich geht es los, die Spannung steigt.

Der in Sachen Sportwetten zuständige 1. Senat des BVerfG Das Gericht im Fokus der Beobachter

10:01 Uhr - Der Vorsitzende hat in das Verfahren eingeführt und auf aus Sicht des Senats bedeutsame Punkte hingewiesen. Die Rechtslage sei gelinde gesagt nicht übersichtlich, vielmehr sei sie zersplittert. Neben den verfassungsrechtlichen Aspekten, seien solche des Einigungsvertrages, des europäischen Rechts entscheidend. Der Vorsitzende deutet bereits im frühen Stadium des Prozesses an, dass die Frage, ob die Monopolisierung der Sportwette tatsächlich ordnungsrechtlichen Gesichtspunkten diene, oder lediglich Mittel sei, die Staatskasse zu füllen, erhebliche Bedeutung gewinnen werde.

10:11 Uhr - Nach Feststellung der Anwesenheit der Verfahrensbeteiligten erteilt der Vorsitzende dem Berichterstatter Prof. Bryde das Wort. Dieser fasst den zur Beurteilung stehenden Sachverhalt zusammen. Im Streitfall gehe es um die Berufsfreiheit. Entscheidend sei, wie der Verbotsgehalt der strafrechtlichen Untersagung zu werten sei. Letztlich ist zu fragen, ob das Staatsmonopol ein geeignetes erforderliches und verhältnismäßiges Mittel sei. Insoweit fragt sich, ob das staatliche Glücksspielmonopol im Widerspruch zur eigenen Rechtfertigung stehe. Bei der Vermittlung von Sportwetten in europäische Länder seien andere, möglicherweise höhere Anforderungen an Beschränkungen zu stellen.

10:20 Uhr - Jetzt haben die Parteivertreter das Wort.

10:21 Uhr - Der Beschwerdeführerinvertreter stellt auf wirtschaftliche Aspekte, insbesondere die Folgen, die die Beschwerdeführerin aus dem Verbot der Sportwette und der Versagung der Genehmigung erlitten hat. Er rügt die fehlende Glaubwürdigkeit des Staates. Das BVG sei in der Lage hier weiteren Schaden zu verhindern.

10:29 Uhr - Der Vertreter des Freistaats Bayern ergreift das Wort. Er betont die Gefahren, die mit Sportwetten verbunden seien. Der Staat müsse in der Lage sein, die von ihm als Gefahrenlage verstandene gesellschaftliche Entwicklung zu regeln. Der Spieltrieb könne nur so kanalisiert werden.

10:41 Uhr - Fällt das Veranstalten von Sportwetten in den Schutzbereich des Art. 12 GG? Der Vorsitzende erteilt einem weiteren Vertreter der Beschwerdeführerin hierzu das wort.
Die Freiheit der Berufswahl sei betroffen, es handele sich nicht lediglich um eine Berufsausübungsregelung. Es sei insoweit keine Vergleichbarkeit mit Spielbankbetreibern feststellbar. Es lägen gesetzgeberische Versäumnisse vor.

10:58 Uhr - Der Bevollmächtigte des Freistaats Bayern erhält das Wort zur Erwiderung. Man sei sich einig, dass es um die Frage der Verletzung des Art. 12 GG gehe. Im übrigen seien die Meinungsverschiedenheiten offenbar: In der verfassungsrechtlichen Würdigung der Beschwerdeführerin vermischten sich die Ebenen. Der Gesetzgeber sei es, der über die den Regelungsgehalt des § 284 StGB bestimmen könne.

11:10 Uhr - Der Berichterstatter wirft ein: Nach seinem Verständnis sei das Bundesrecht, nämlich die materielle Regelung - StGB § 284 die Verbots-/Regulierungsnorm.

11:14 Uhr - Der Vertreter der Bundesregierung erhält das Wort. § 284 StGB schränke die Berufsfreiheit ein, sei aber verfassungsgemäß. Der Einsatz der Kriminalstrafe als "ultima ratio" sei gerechtfertigt. Nicht bloßer Verwaltungsungehorsam werde polemisiert, sondern ein generell als gefährliches Verhalten werde beschränkt. Einwurf des Berichterstatters: Muß bundesrechtliche Regelung nicht Maßstab sein für landesrechtliches Verhalten? Erwiderung: § 284 StGB sei eine Wertungsentscheidung.
Der Vorsitzende und der Berichterstatter setzen der Bayrischen Landesregierung und der Bundesregierung so scheint es mit dieser Frage zu. Die Bevollmächtigten können nichts schlagkräftiges erwidern.

11:27 Uhr - Die Buchmacherverbände erhalten das Wort.

11:44 Uhr - Es soll nun über die in Rede stehenden Schutzgüter verhandelt werden. Der Beschwerdeführervertreter macht anhand von Beispielen deutlich, dass die Kanalisierung des Spieltriebes lediglich der Kanalisierung des Geldflusses diene.

12:14 Uhr - Die bayerische Lotterieverwaltung trägt zu ihren Werbe- und Schutzmaßnahmen bei der Veranstaltung der Sportwetten vor.
Es verbleibt dabei, das Bundesverfassungsgericht richtet seine Fragen immer nur an den Freistaat Bayern und die Bundesregierung. Stets wird gefordert, dass bestimmte Widersprüche aufgelöst werden.

12:30 Uhr - Jetzt wird der Berichterstatter deutlich: Sportwetten und Lotterien erscheinen ihm als Bürger in der geschalteten Werbung als etwas völlig Normales, nicht aber als das, als was es dargestellt werde, etwas "sozial Unerwünschtes". Dieser Widerspruch möge aufgelöst werden.

13:12 Uhr - Verhandlungspause - Zuvor hatten die Vertreter der Suchtverbände Gelegenheit zur Stellungnahme. Aus ihrer Sicht bestünden erhebliche Gefahren. Das Gefährdungspotenzial reiche bis zur Glücksspielsucht. Fortsetzung der Sitzung ab 15:00 Uhr.

15:00 Uhr - Wiedereröffnung der Verhandlung - Nun wird über den Verbraucherschutz und die Gefahrenabwehr verhandelt.

16:57 Uhr - Thema der Erörterung ist nun die Vermittlung von Sportwetten ins europäische Ausland.
Im Rahmen der Verhandlung prallen erneut divergierende Auffassungen aufeinander.

17:59 Uhr - Der Vorsitzende bringt die Sitzung zum Ende. Die Beschwerdeführerin darf zuvor ein Schlußwort ergreifen. Die mündliche Verhandlung ist geschlossen. Das Gericht zieht sich zur Beratung zurück. Es wird einen Termin zur Verkündung einer Entscheidung nach Abschluß der Beratungen bestimmen. Wann ist derzeit noch offen. Es wird überwiegend damit gerechnet, dass ein Urteil für das Frühjahr 2006 zu erwarten ist.

Sportwettenrecht Sportwettenrecht